Eine schnelle Karriere und ein großes Gehalt stellen längst nicht mehr für alle jungen Leute das Nonplusultra dar. Stattdessen ist das Image des Unternehmens entscheidend, ebenso wie eine gute Work-Life-Balance.
Von Isabelle De Bortoli
Ein Job bei einem der Top-Automobilhersteller in Süddeutschland: Das war das Ziel von Matthias Conjaerts – wie für die allermeisten seiner Kommilitonen im Fahrzeugtechnik-Studium an der Fachhochschule Dortmund. Doch dann, als der erste Schritt in Form eines Praktikums bei der Audi AG in Ingolstadt geschafft war, kam der Dieselskandal. „Tatsächlich haben sich dadurch meine Erwartungen an einen Arbeitgeber komplett verändert“, sagt der 28-Jährige, der gerade sein Masterstudium abgeschlossen und seinen ersten Arbeitsvertrag als Entwicklungsingenieur unterschrieben hat. „Mir ist klar geworden: Die Unternehmenskultur und die Werte eines Unternehmens sind für mich bei der Jobwahl ausschlaggebende Faktoren.“
WOHNORTNAH UND TROTZDEM HOMEOFFICE
Das Praktikum in Süddeutschland zeigte Matthias Conjaerts aber noch etwas: „Ich habe meine Heimat vermisst, ich lebe einfach gerne in Herdecke, mitten im Ruhrgebiet. Und deshalb war die Nähe zum Wohnort bei der Suche nach meinem ersten Job nach dem Abschluss im Grunde der entscheidende Faktor.“ Maximal eine Dreiviertelstunde Fahrt pro Strecke ist er bereit, für den Job zurückzulegen. „Ich wollte nicht, dass die Fahrtzeit zur Arbeit so viel Zeit vom Tag einnimmt. Deshalb finde ich es gut, dass das Unternehmen, bei dem ich nun starten werde, zwei Tage Homeoffice pro Woche ermöglicht. Das war auch sehr wichtig: Bei zwei gleichwertigen Angeboten würde ich mit großer Wahrscheinlichkeit das Unternehmen wählen, das mir mobiles Arbeiten ermöglicht.“ Mit dem eigenen Beruf etwas Sinnvolles zu bewirken, Produkte zu entwickeln, die in der Klimakrise einen wertvollen Beitrag leisten – auch das ist Matthias Conjaerts wichtig. „Die Geldfrage habe ich mir eigentlich zuletzt gestellt, als es dann wirklich um die Vertragsverhandlung ging. Ein Unternehmen, welches den Tarif der IG Metall anwendet, ist aber besonders attraktiv. Trotzdem war mir wichtiger, dass die eigentliche Tätigkeit auch wirklich Spaß macht und mich erfüllt.“
SINNSTIFTENDE ARBEIT UND EINE DUZ-KULTUR
So wie Matthias Conjaerts denken viele junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren, die nun nach Schule oder Hochschule in die Unternehmen kommen. Die Bedeutung ihrer Arbeit ist ihnen wichtiger als der schnelle Aufstieg oder ein besonders üppiges Gehalt. Das unterstreicht auch Lisa Bäcker, Ausbildungsberaterin bei der IHK Düsseldorf: „Für junge Menschen, die eine Ausbildung absolvieren wollen, sind bei der Wahl des Betriebs die Unternehmenskultur und Ausrichtung, die Work-Life-Balance, flache Hierarchien und eine Duz-Kultur besonders entscheidend.“ Auch die Nähe zum Wohnort spiele eine große Rolle, ebenso wie berufliche Sicherheit und die Perspektive, nach der Ausbildung übernommen zu werden. Für Hochschulabsolventen gelte häufig, dass die berufliche Tätigkeit als sinnvoll erlebt werden will, so Katrin Kolfhaus, ebenfalls Ausbildungsberaterin der IHK Düsseldorf. „Dazu kann ein gutes Betriebsklima, eine ausgeglichene Work- Life-Balance und der individuell passende Zuschnitt des Arbeitsplatzes viel beitragen. Für viele Hochschulabsolventen, aber auch für Studienabbrecher, die eine Ausbildung aufnehmen, sind Image und Prestige des Arbeitgebers sehr wichtig.“ Unternehmen, die im Wettbewerb um die größten Talente punkten wollen, sollten auf die Wünsche der Bewerber eingehen, so die Expertinnen der IHK Düsseldorf. „Das gilt von der Stellenanzeige über den ganzen Bewerbungsprozess bis zum sogenannten Onboarding, also der Integration der neuen Mitarbeiter in den Betrieb. Auch oder gerade weil es in der digitalen Welt wenig Grenzen gibt, haben junge Menschen oft ein Bedürfnis nach Sicherheit und möchten in ihrem Arbeitsumfeld mit ihren Wünschen und Bedürfnissen ernst genommen werden.“
VON BEGINN AN AUF AUGENHÖHE
Die IHK-Expertinnen betonen, dass das Image von Ausbildung der Realität oft hinterherhinke. „Auszubildende sind heute von Beginn an gleichwertige Teammitglieder, die so selbstständig wie möglich arbeiten können – und auch sollen. Das ist vielen Schülerinnen und Schülern nicht unbedingt bekannt und sollte von den Unternehmen bei der Vorstellung der Ausbildung mitbedacht und präsentiert werden.“ Übrigens würden die Unternehmen zwar häufig
die Stärken kennen, mit denen sie bei jungen Leuten punkten können, sie stellen sie aber noch nicht oft genug in den Vordergrund.
MODELLE FÜR AUSGEGLICHENE WORK-LIFE-BALANCE
Das Unternehmen hat sich den Anforderungen der Mitarbeiter für eine bessere Work-Life-Balance angepasst: Für viele der Beschäftigten gelten flexible Arbeitszeiten – sie organisieren ihre Arbeitszeit individuell in Abstimmung mit den Kollegen und der Führungskraft. So lassen sich Familie und Beruf flexibel aufeinander abstimmen. „Besonders für unsere Mitarbeitenden mit kleinen Kindern sind Teilzeitmodelle eine gute Lösung. Manche teilen sich eine Vollzeitstelle und bearbeiten Projekte gemeinsam, andere arbeiten mit verringerten Arbeitsstunden an ihren Aufgaben“, so das Unternehmen. Auch Mitarbeiter, die berufsbegleitend studieren, können Arbeit und Studium aufeinander abstimmen. Eltern von Kindern zwischen sechs Monaten und sechs Jahren unterstützt das Unternehmen am Standort Remscheid mit der Kita „Hoppelhasen“. Dort werden Kinder unabhängig von Ferienzeiten ganztags betreut.